Michael Ziller
In unseren Entwürfen flirtet das Alltägliche mit dem Speziellen. zillerplus macht sich auf die Suche nach den bestehenden, oft aus pragmatischen und funktionalen Gründen und am Ort entwickelten gewachsenen Strukturen. Aus der Faszination für das Vernakuläre ziehen wir unsere Inspiration. Die entstehenden Lösungen sind oft pragmatisch, gelegentlich radikal, so selbstverständlich wie möglich und so innovativ wie nötig.
5 Fragen an ... Michael Ziller
z+
Was macht das gemeinsame Wohnen zur Qualität – wie reagiert Ihre Architektur darauf?
Michael Ziller
Das gesamte Haus ist in meinen Augen eine große Wohnung, und die eigentlichen Wohnungen in diesem Haus sind individuelle Rückzugsbereiche. Mit dieser Grundidee kommt man zu einem Wohnkonzept, das verschiedene Funktionen aus dem rein privaten Wohnbereich ausgliedert und für die Gemeinschaft zugänglich macht – dies kann beispielsweise eine Bibliothek sein, eine Gästewohnung oder den Waschraum. Durch die Zusammenführung von Nutzungen auf Gemeinschaftsflächen, die mit kurzen Wegen erreichbar sind, entsteht zusätzliche Wohn- und Lebensqualität. Diese kann noch gesteigert werden, wenn Erdgeschoss und Dachflächen für die Bewohner geöffnet und attraktiv gestaltet werden. In dichten Innenstadtgebieten ist das Erdgeschoss nur bedingt bewohnbar – es ist Teil des Stadtraums und sollte auch als solches konzipiert sein. Alles in allem ist die Qualität des Wohnens in der Stadt eine Frage der Organisation, und hier spielt die Architektur eine maßgebliche Rolle, weil sie den Rahmen für wegweisende Lösungen vorgibt.
z+
Welche Wohnformen brauchen wir, um für die Zukunft gerüstet zu sein?
MZ
Zunächst einmal brauchen wir vor allem vielfältige und unterschiedliche Wohnkonzepte. Eine starre Standardplanung für die Familie mit zwei Kindern ist heute für die Mehrheit der Bewohner nicht zutreffend. Hinzu kommt, dass sich der Flächenbedarf je nach Lebensetappe ändert – mal ist er größer, mal geringer. Wir wollen architektonische Konzepte entwickeln, die auf diesen Zusammenhang reagieren und den Menschen Optionen bieten, ihre Wohnsituation an die jeweiligen Lebensumstände anzupassen. Wenn Wohneinheiten sorgfältig geplant sind, lässt sich auch die Wohnfläche pro Bewohner insgesamt reduzieren und gleichzeitig seine Qualität steigern. Dies wird erleichtert, wenn Funktionen der Wohnung, die nicht täglich genutzt werden, in andere Bereiche auslagert werden.
z+
Wachsende Bewohnerzahlen stellen viele Städte vor große Probleme im Wohnungsbau. Inwiefern ist diese Entwicklung eine Chance für die Architektur und den Städtebau?
MZ
In den letzten Jahren ist der Wohnungsbau zu einem zentralen politischen Thema geworden. Ich sehe das als Chance für eine intensive Auseinandersetzung mit Wohnungsbauprogrammen, Grundrisstypologien, der Mobilität, dem Freiraum und dem urbanen Kontext. Letztlich müssen wir die strikte Funktionstrennung der Nachkriegsmoderne, die Wohnen, Arbeiten und Freizeit voneinander separiert hat, endlich überwinden. Auch bestehende Siedlungen und reine Wohnviertel brauchen eine stärkere Durchmischung mit Läden, Versorgungseinrichtungen, Co-Working Bereiche und Kinderbetreuung, damit sich kurze Wege für alle Altersstufen ergeben. Insofern gibt uns die Sanierung des Bestands die Gelegenheit, Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren, und lebendige und durchgrünte Wohnviertel zu schaffen.
z+
Welche Bedeutung haben Ökologie und Ökonomie für Ihre Projekte?
MZ
Im Rahmen der „Case Study Houses“ der internationalen Bauausstellung Hamburg haben wir ein Modellprojekt realisiert, die sich durch seinEnergiekonzept mit lokaler Energieernte und -speicherung auszeichnen. Der bedachte Umgang mit den vorhandenen Ressourcen hat meiner Meinung nach eine zentrale Rolle für die Zukunft des Wohnungsbaus. Es war mir wichtig, ökologische Gesichtspunkte auch nach ökonomischen Kriterien zu beurteilen und sämtliche Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen. Unser Ziel war, zwei Energieautarke Häuser zu bauen. Dies gelingt jedoch grundsätzlich gelingt nur, wenn wir das Haus nicht als separate Einheit verstehen, sondern als Baustein in einem quartierumfassenden Energienetzwerk. In ihm können die Energieüberschüsse und der Energiebedarf im Sommer wie im Winter abgegeben, gespeichert oder je nach Bedarf bezogen werden. Die lokale Gemeinschaft mit unterschiedlichen Nutzungen ist für Fragen der Energieversorgung ganz entscheidend. Zusätzlich können Autos und Fahrräder als Energiespeicher eingesetzt werden. Was die Materialien der Projekte anbetrifft, so sollten wir uns auf lokale Ressourcen fokussieren. Mit Materialien aus der Region kann auch das lokale Handwerk gefördert werden.
z+
Warum brauchen ökologische Ansätze mutige Innovationen und unkonventionelle Herangehensweisen?
MZ
Veränderungen sind zunächst immer mit Unsicherheiten verbunden. Hier sind mutige Bauherren und Architekten gefragt. Der Immobilienmarkt muss auf die Veränderungen der Gesellschaft reagieren – und wir brauchen architektonische Konzepte, die zukunftstaugliche Lösungsansätze vorschlagen. Gute Architektur kann dies leisten, wenn sie auf kompakte und dichte Gebäude mit vielfältigen Wohnformen setzt. Durch die gezielte Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Erholung und zeitgerechter Mobilität erhält der urbane Raum entscheidende Qualitäten. Für mich sind Architektur und Städtebau in diesem Zusammenhang nicht durch Einzelprojekte definiert. Ich verstehe sie vielmehr als einen fortschreitenden Prozess.